Imperiale Lebensweise, aber nachhaltig

„Das ist also das Lebensmodell, wenn die Grünen zur Mehrheitspartei werden: Der Mann arbeitet bei Bosch und macht irgendwelche klimaschädlichen Sachen – Bosch ist zum Beispiel der weltweit größte Hersteller von Verpackungsmaschinen für Konsumgüter -, während die Frau, die gegen Stuttgart 21 ist, im Ökosupermarkt leckeren Biokäse aus der Region und vollmundigen Biowein aus Apulien kauft, möglichst Verpackung vermeidend.” (SZ vom 30.3.2011)

Weiter heißt es dort:

“Wie sehr die bessere, nachhaltigere Lebensführung auf dem Freiheitsgewinn beruht, den der umgebende Wohlstand gewährleistet, das lässt sich auf jedem Biomarkt der westlichen Welt beobachten, besonders hübsch aber im Vauban-Viertel in Freiburg im Breisgau. […] Nun könnte man sagen: Wäre es nicht trotzdem gut, wenn es überall so zuginge wie in der Vauban-Siedlung? Das wird aber nicht passieren, auch nicht, wenn die Grünen die absolute Mehrheit bekommen. Denn das gute ökologische Leben erfüllt gegenüber der Gesamtgesellschaft dieselbe Funktion wie die journalistischen Selbstversuche nach dem Muster ‘Ein halbes Jahr klimagerecht leben’ oder die Aktionen, bei denen für eine Stunde das Licht ausgemacht wird – und dann wieder angestellt.“ (SZ vom 30.3.2011)

Das ist schon ganz richtig beobachtet und deckt sich mit dem, was beim Thema Atomausstieg das Stromanbierterwechseln darstellt. Wir möchten ganz sicher keine_n davon abhalten, anstatt Vattenfall den Energiewerken Schönau Strom abzukaufen. Eine politische Strategie ist es jedoch nicht. Und was uns mit Blick auf die Anti-Atom-Bewegung und die Kampagne „Atomausstieg selber machen“ in der Tat ärgert: Der Appell an ökologisch denkende Bürger_innen, wendet ihr die Bedeutung dieses „selber machens“, die in der Anti-Atom-Bewegung immer eine andere war. Es wird zur Privatsache. Hier wird ein Szenario entworfen, in dem die Atomkonzerne mit den Mitteln des Marktes geschlagen werden – wenn genügend Konsument_innen sich beteiligen. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, nicht wahr? Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass es dafür jeweils nur einer kurzfristigen Intervention bedarf: es braucht lediglich, so schreibt ihr „ein paar Klicks im Internet“ – „es kostet Sie fünf Minuten“. Das macht allen Atomkraftgegner_innen bzw. allen Konsument_innen das Angebot einer konkreten, realistischen Handlungsanweisung, die diese ohne Probleme in ihren normalen Alltag integrieren können. Die Kosten gering, der Nutzen enorm, wer kann da schon nein sagen? Insofern ist auch das Fazit des SZ-Artikels treffend:

„Der unersättliche Kapitalismus, der unsere Lebensform garantiert, bildet den Hintergrund für das grüne Lebensgefühl der Mittelklassen; mit fundamentaler Umkehr hat das alles nichts zu tun. Man muss ja schließlich auch Geld verdienen. Deshalb wird auch gerne die Illusion genährt, aus derselben Wachstumsdynamik, die Ressourcen verbraucht, entstünden auch bald jene Erfindungen, die den Ressourcenverbrauch stoppen – und uns zugleich im Wesentlichen so weiterleben lassen wie bisher. Wer wollte das nicht?“ (SZ vom 30.3.2011)

Zu diesem Problem der imperialen Lebensweise schreibt Uli Brand:

„Die imperiale Lebensweise basiert darauf, dass die Ressourcenflüsse in die kapitalistischen Metropolen gesichert bleiben und damit das hiesige und tendenziell globalisierte Produktions- und Konsumtionsmodell aufrechterhalten wird. Sie ist mit ihren enormen ökologischen Fußabdrücken und sozialen Verwerfungen tief in den alltäglichen Praxen, in staatlichen Politiken und in den Unternehmen verankert. Der Verkauf von Special Utility Vehicles hat enorme Wachstumsraten, der Konsum von kurzlebigen, aber relativ billigen Elektrogeräten, die bald verschrottet werden, nimmt zu.

Die imperiale Lebensweise basiert auf Machttechniken der Staaten sowie internationaler politischer Institutionen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds. Sie haben den 1980er Jahren mit ihren Politiken der ‘Strukturanpassung’ die verschuldeten peripheren Gesellschaften zu neoliberalen Politiken getrieben. Das bedeutet für viele Länder, dass sie sich über den Export von Agrargütern und Rohstoffen in den Weltmarkt integrieren. Teilweise unter erheblichen sozialen und ökologischen Kosten. Und die imperiale Lebensweise gründet auf den Produktions- und Verkaufsstrategien der Unternehmen. Unternehmen haben Marktmacht und können derart die ökologischen Folgekosten ihrer Produktion externalisieren. Der oligarchische Lebensstil ist vor allem einer, der die konkreten Bedingungen der globalisierten Warenproduktion opak lässt. Das ist nichts Neues, aber es erhält eine neue Dimension. Machen wir uns aber nichts vor. Die Bedingungen für einen tief greifenden sozialökologischen Wandel sind auch deshalb nicht sehr gut, weil viele Menschen an den gegenwärtigen un-nachhaltigen Verhältnissen teilhaben wollen: Autos, Reisen, billige Konsumgüter made in China. In der umwelt- und ressourcenpolitischen Diskussion gibt es kein einfaches Oben und Unten. Gerade die Menschen in den wohlhabenden Ländern sind ja auf durchaus vorteilhafte Weise in die globale Umwelt- und Ressourcenordnung eingebunden.

Alternativen?

Eine „anti-imperiale Lebensweise“ muss diese tiefen Verankerungen aufbrechen. Die Produktions- und Konsumnormen werden machtvoll von Unternehmen gesetzt, entsprechen aber vielfach auch den historisch entstandenen Bedürfnissen großer Teile der Bevölkerung. Dies kann nicht einfach durch staatliche Politik auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene geändert werden, etwa mit Hilfe neuer Regeln für Unternehmen und KonsumentInnen. So wichtig das ist, so sehr müssen sich darüber hinaus grundlegende kulturelle Umorientierungen („was bedeutet Wohlstand?’) vollziehen. Die Aufgabe besteht darin, attraktive, postmaterialistische Vorstellungen eines ‘guten Lebens’ und entsprechende ‘öko- soziale Subjektivitäten’ zu schaffen, das eben nicht zuvorderst aus dem Glück des Konsums besteht .“ (Uli Brand)

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