Castor? Schottern! Auswertungspapier vom Libertad. Den Beitrag mit hübschen Bildern gibt es hier.
Sonntag war’n wir richtig rockern, auf den Gleisen, Castor? Schottern!
Wir wollen andere gesellschaftliche Verhältnisse. Eine Revolution ist jedoch kein Deckchenstricken. Wer die Welt verändern will, braucht mehr als Nadel und Faden. Die Kampagne „Castor? Schottern!“ ist insofern auf dem Weg der Emanzipation einen Schritt vorangekommen. Die Bereitschaft der Aktivistinnen und Aktivisten, Grenzen der Legalität zu überschreiten – gerade wenn die Atomkanzlerin Schottern als gefährliche Straftat verurteilt – verdeutlicht das Verhältnis zur herrschenden Politik und den staatlich gesetzten Spielregeln.
„Castor? Schottern!” wurde in den Medien wohlwollend als „friedlich“ und „gewaltfrei“ dargestellt. Dazu hat die Kampagne, obwohl sie diese Begriffe nie benutzt hat, beigetragen, indem sie wiederholt etwas übertrieben betonte: „Wir greifen nicht die Polizei an.”
Die Kampagne „Castor? Schottern!“ hat allerdings bewusst mit dem Begriff „ziviler Ungehorsam“ gespielt, und so ist es gelungen, die Bedeutung des Begriffs zu erweitern und damit die Aktionsform breiter zu etablieren. Dennoch mutet es seltsam an, wenn Menschen, die sich als Autonome, Kommunisten oder Revolutionäre verstehen, (auch nur als taktischen Gründen) von zivilem Ungehorsam sprechen, weil dem Begriff eine Abgrenzung gegenüber bestimmten radikalen Widerstandsformen innewohnt – eine Abgrenzung, die man explizit nicht will. Immerhin gibt es auch viele radikale Linke, die sich mit dem für sie abschreckenden Begriff nicht identifizieren mögen. Besteht nun die Chance bzw. das Risiko, dass sich zukünftig Polizeigewerkschafter und Innenminister auch bei „Castor? Schottern!“ für den friedlichen Protest bedanken?
„Castor? Schottern!“ wird sich, anders als die Sitzblockaden von Widersetzen und X-1000, nicht zu einem Protest etablieren, den die Polizeikräfte vorübergehend dulden werden. Da kann die Kampagne noch so oft sagen und unter Beweis stellen: „Wir greifen nicht die Polizei an“. Die Polizei wird auch in Zukunft unmittelbar dagegen vorgehen, wenn Schienen unbefahrbar gemacht werden sollen. Nicht ausgeschlossen, dass sie dabei sogar noch kräftiger zuschlagen wird als im November 2010. Insofern kommt die Aktionsform – ähnlich wie vor zehn Jahren die Tute Bianche in Italien – an Grenzen.
Die Polizisten konnten zuschlagen, weil sie wussten, dass keine Putzgruppen unterwegs sind, um die Einsatzkräfte wegzuputzen, dass keine Zwillen eingesetzt werden und dass ihnen deshalb keine Kugeln um die Ohren fliegen werden.
PS: „Schottern“ steht auf Platz 6 der Liste „Wort des Jahres 2010“.