Berlin, 8.9.11: Zu einer Veranstaltung mit den Wahlkreiskandidaten in Zehlendorf hatten zwei kirchliche Umweltgruppen eingeladen. In dem gutgefüllten Gemeindehaus der Paulusgemeinde stellten sich Kandidaten der Grünen, CDU, SPD und Linke den Fragen des Moderators und des Publikums. Zum Erstaunen aller waren sich die vier Parteivertreter auf dem Podium einig: Ja wir können auf den Forschungsreaktor nicht verzichten.
Dabei war den Politikern kein Argument zu blöde. Braun von der CDU sah 800 Arbeitsplätze und die “Existenz des Helmholtzzentrums” in Gefahr, der Bezirkspolitiker Köhne von den Grünen sprach offen von einer Risiko/Nutzen-Abwägung, Albers von den Linken meinte im HZB (Helmholtz-Zentrum Berlin) sei “alles auf dem neusten Stand” der Technik. Am moderatesten war noch Buchholz von der SPD, der darauf hinwies, dass das Abgeordentenhaus eine “ergebnisoffene” Untersuchung verlangt habe; was ja an sich eine Selbstverständlichkeit ist nach den Erfahrungen in Fukushima, wo alle Wahrscheinlichkeitsberechnungen über die Unmöglichkeit des SuperGaus wie ein Kartenhaus zussammengebrochen sind.
Aber für die Berliner Provinzpolitiker gelten offenbar andere Regeln. Der Vertreter der Grüne meinte, der Forschungsreaktor in Wannsee sei “kein Kernkraftwerk”, und deshalb müssten auch nicht die Sicherheitsstandards für die großen deutschen AkWs auf den Wannseereaktor angewendet werden. Das verursachte doch einiges an Gelächter im Publikum.
Eher schon peinlich war, wie der energiepolitische Sprecher der Linken, der Herr Albers sich für den Weiterbetrieb des Reaktors einsetzte. Für den Forschungsstandort Berlin sei er unverzichtbar, Wissenschaftler aus 35 Ländern würden Schlange stehen, um mit den Neutronen zu forschen und dann toppte er seine Laudatio mit der Behauptung “es gab nie Probleme mit der Sicherheit”. Dass der Uraltreaktor die meisten Störfälle in den letzten 12 Jahren aller deutschen Atomreaktoren melden musste, fiel beim ihm unter den Tisch. Und dass es sehr wohl Alternativen zur Neutronenerzeugung mittels Kernspaltung gibt, die sowohl die Materialforschung wie die von allen Politikern an erster Stelle genannte medizinische Forschung ermöglichen – darauf mussten die Lobbyvertreter des Atomreaktors erst vom Publikum hingewiesen werden.
Überhaupt wurde das Publikum mit zunehmender Dauer der Veranstaltung unruhiger und “emotionaler” wie die Herrn Braun und Albers im Chor sich beklagten – ganz die altbekannte Leier der Politiker: Wir tragen nur “rationale Argumente” vor und “wir nehmen ihre Sorgen ernst”.
Doch wenn es um das fehlende Containement des Reaktors und die beständige Gefahr von Flugzeugabstürzenn bei dem sehr stark zugenommenen Luftverkehr geht, dann wurde bei den Herrn auf dem Podium abgewiegelt: Das sei alles so unwahrscheinlich, der Reaktor sei so klein und zudem der Einflugwinkel für einen Absturz auf der Reaktorkuppel zu flach, so dass “die Flugzeuge eher in die benachbarten Bäume fliegen” würden. Und über die Gefahren der Niedrigstrahlung, die insbesondere für die Kinder sehr gefährlich ist, wollten sich die Herrn aus der Politik nicht so detailliert äußern, wer überhaupt die Messergebnisse der Umgebungsstrahlung liefere, darüber konnte die Allparteienkoalition keine Auskunft gegeben. Das Publikum war da wesentlich kritischer und skeptischer. Schließlich habe der Betreiber, die Helmholtzgesellschaft schon beim Absaufen des Versuchsendlagers Asse deutlich bewiesen, das ihren Zahlen nicht zu vertrauen sei.
Eine kleine Überraschung kam am Schluss, als deutlich wurde, das die Linke in der Frage des Weiterbetriebs von Wannsee tief gespalten ist. Die lokalen WahlkreiskandiatInnen der Linken im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sind entschieden für eine sofortige Stilllegung des Reaktors, während Albers und der Landesvorstand ganz auf Linie des Senats liegt. Der Landesvorstand hat dem Bezirk einfach einen Maulkorb umgehängt und deshalb durfte auch kein Wahlkreiskandidat auf dem Podium sitzen.
Der Senat hat auch schon vorgesorgt, das der Stresstest die richtigen Ergebnisse liefern wird. Das Gutachten verfasst der bekannte Atomlobbyist, der TÜV-Rheinland, das sei „der einzige der so was machen könne“, meinte der Linke Albers und erntete deutlichen Widerspruch u.a. von dem am HZB geschassten leitenden Ingenieur Scholz.
Insgesamt eine Veranstaltung die deutlich machte, dass die AntiAkwbewegung die Stilllegung selbst in die Hand nehmen muss und dabei auf keine der Parteien auch nur einen Pfifferling setzen kann.